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Umfang des Vertretungsrechts von Erben hinsichtlich des Nachlasses, nach Abgabe von Erbantrittserklärungen

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Nach Abgabe von Erbantrittserklärungen aller Erben/-Innen zum gesamten Nachlass, bedürfen Verwaltungsmaßnahmen grundsätzlich keiner Genehmigung mehr (Ausnahme: Veräußerungen von Gegenständen aus dem Nachlassvermögen – dies dient dem Gläubigerschutz). Es bestehen nämlich keine Schutzbedürfnisse potentieller Erben mehr (ErlRV 471, BlgNR 22.GP, 28).

Dies ergibt sich sowohl nach dem Gesetzeswortlaut (der nicht differenziert!), aber auch der weiterführenden herrschenden Lehre (Eccher in Schwimann³, RZ 10 zu § 810 ABGB; Welser bezieht sich in Rummel³ noch auf die alte Rechtslage vor 2005) auch auf Maßnahmen der ao. Verwaltung. Umfang des Vertretungsrechts von Erben hinsichtlich des Nachlasses, nach Abgabe von Erbantrittserklärungen.

Der OGH fasst die Rechtslage in 5 Ob 108/08 f gut und verständlich zusammen:

[…]

„II. Zur geltenden Rechtslage nach § 810 ABGB idF FamErbRÄG 2004, § 172 AußStrG nF:

  1. § 810 ABGB idF FamErbRÄG 2004 (BGBl I 2004/58) hat nunmehr folgenden Wortlaut:

„(1) Der Erbe, der bei Antretung der Erbschaft sein Erbrecht hinreichend ausweist, hat das Recht, das Verlassenschaftsvermögen zu benützen, zu verwalten und die Verlassenschaft zu vertreten, solange das Verlassenschaftsgericht nichts anderes anordnet. Trifft dies auf mehrere Personen zu, so üben sie dieses Recht gemeinsam aus, soweit sie nichts anderes vereinbaren.

(2) Verwaltungs- und Vertretungshandlungen vor Abgabe von Erbantrittserklärungen zur gesamten Verlassenschaft sowie alle Veräußerungen von Gegenständen aus dem Verlassenschaftsvermögen bedürfen der Genehmigung des Verlassenschaftsgerichts, wenn sie nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die Handlung für die Verlassenschaft offenbar nachteilig wäre.

(3) Ist nach der Aktenlage die Errichtung eines Inventars zu erwarten, so dürfen Vermögensgegenstände, deren Veräußerung nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört, erst veräußert werden, nachdem sie in ein Inventar (Teilinventar) aufgenommen worden sind.“

Gemäß § 172 AußStrG hat der Gerichtskommissär den Berechtigten auf Verlangen eine Amtsbestätigung über ihre Vertretungsbefugnis (§ 810 ABGB) auszustellen.

  1. In den Materialien (471 BlgNR 22. GP) zum geltenden § 810 ABGB wird auszugsweise Folgendes ausgeführt:

„… Verwaltungshandlungen sowie Vertretungsakte (insb

Veräußerungen), die jeweils zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb

gehören, sind daher immer genehmigungsfrei. … Auch

Verwaltungshandlungen und Vertretungsakte (mit Sondervorschriften für Veräußerungen), die nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören, bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit nur bei Vorliegen zusätzlicher Voraussetzungen der Genehmigung des Verlassenschaftsgerichts. Nicht immer bedarf es nämlich einer gerichtlichen Genehmigung, um alle beteiligten Personen und insbesondere die Gläubiger vor Nachteilen zu schützen. Nicht einmal die Veräußerung einzelner Gegenstände muss stets der Kontrolle unterworfen werden, um die Interessen Anderer zu wahren. Die Veräußerung der Nachlassgegenstände nach Einantwortung steht den Erben jedenfalls (in den Grenzen des Anfechtungsrechts) frei, vor Einantwortung haben die Gläubiger immerhin die Nachlassseparation zur Verfügung. Auch bei ungünstigen Veräußerungsgeschäften führt die Haftung pro viribus (nicht cum viribus) – also bis zum Wert der Verlassenschaftsgegenstände, nicht aber nur mit den Verlassenschaftsgegenständen – zu keiner rechtlichen Verschlechterung der Gläubigerstellung. Es gibt daher nur zwei Fälle, in denen die Bedenken gegen ein von den antrittserklärten und dadurch verwaltungsbefugten Erben geplantes Rechtsgeschäft die Interessen an der Privatautonomie deutlich überwiegen: erstens (und primär zum Schutz anderer potentieller Erben) dann und solange, als nur einzelne, sich möglicherweise bloß auf einen geringen Bruchteil der Verlassenschaft beziehende Antrittserklärungen vorliegen, wenn also etwa nur ein Erbe zu einem Zwölftel die Erbschaft angetreten hat und daraufhin die gesamte Verlassenschaft zu verwalten und zu vertreten befugt wäre; zweitens (primär zum Gläubigerschutz) dann und solange, als eine Veräußerung die Inventarserrichtung konterkarieren würde, weil die noch zu beschreibenden und schätzenden Gegenstände mittlerweile veräußert wurden. Im Grunde ist nie auszuschließen, dass sich auf Grund eines später eintretenden Umstandes (z. B. wird noch zu einer Quote eine bedingte Antrittserklärung abgegeben oder ein Separationsantrag gestellt) die Notwendigkeit einer Inventarserrichtung zeigt. Dies muss als unvorhersehbar aus den Erwägungen ausscheiden. Ist aber schon nach der Aktenlage ein Inventar zu errichten oder ist dieser Umstand noch nicht absehbar, so kann darauf sehr wohl Bedacht genommen werden. Dies geschieht dadurch, dass Veräußerungen nicht inventarisierter Gegenstände, die nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören, jedenfalls der Genehmigung durch das Verlassenschaftsgericht bedürfen (Abs 3). Nur das Verlassenschaftsgericht ist hier in der Lage, ohne Eigeninteressen zu beurteilen, ob durch eine Veräußerung dieser Verlassenschaftsgegenstände der Zweck des Inventars vereitelt würde.

[…]“.

  1. Aus der nunmehrigen gesetzlichen Regelung und den wiedergegebenen Materialien folgt zunächst, dass der Umfang der vom Verlassenschaftsgericht zu genehmigenden Geschäfte eingeschränkt werden sollte. Nach Abgabe von Erbantrittserklärungen besteht eine abhandlungsgerichtliche Genehmigungsbedürftigkeit (nur) für Veräußerungsgeschäfte, sofern diese nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören (§ 810 Abs 2 Satz 1 ABGB; s dazu auch jüngst 5 Ob 255/07x = EF-Z 2008/65, 108 [Fischer-Czermak]; vgl ferner 6 Ob 87/07y = NZ 2008/22, 87).

Aus § 810 Abs 3 ABGB ist ableitbar, dass im Fall bestehender Genehmigungspflicht dann, wenn nach der Aktenlage die Errichtung eines Inventars zu erwarten ist, Vermögensgegenstände, deren Veräußerung nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört, erst veräußert werden dürfen, nachdem sie in ein Inventar (Teilinventar) aufgenommen worden sind (§ 810 Abs 3 ABGB). Ein solches Inventar ist nach § 165 Abs 1 AußStrG (ua) dann zu errichten, wenn eine bedingte Erbantrittserklärung abgegeben wurde (Z 1).

III. Fallbeurteilung:

  1. Wie die Antragstellerin in ihrem Revisionsrekurs zutreffend darstellt, ist hier die Rechtsfrage zu klären, ob der Alleinerbe allein unter Nachweis seiner zum ganzen Nachlass abgegebenen bedingten Erbantrittserklärung (und seiner damit grundsätzlich gegebenen und nach § 172 AußStrG bestätigten Vertretungsbefugnis) berechtigt ist, das Gesuch um Rangordnungsanmerkung zu stellen oder die Vertretungshandlung zusätzlich der abhandlungsgerichtlichen Genehmigung gemäß § 810 Abs 2 ABGB bedarf. Fragen zur Rechtslage vor Abgabe einer Erbantrittserklärung bzw nach erfolgter Einantwortung stellen sich nicht.
  1. Nach dem insofern völlig eindeutigen Wortlaut des § 810 Abs 2 1. Satz ABGB sind von diesen Regelungen nur „Veräußerungen von Gegenständen aus dem Verlassenschaftsvermögen“ erfasst. Zur Notwendigkeit einer abhandlungsgerichtlichen Genehmigung des zu beurteilenden Grundbuchsgesuchs gelangt man demnach nur, wenn man das Ansuchen um Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung einer Liegenschaft bereits selbst als „Veräußerung“ wertet. Ein solches Verständnis steht aber mit der durch die neue Rechtslage intendierten Liberalisierung des Vertretungsrechts der Verlassenschaft und auch mit den durch eine abhandlungsgerichtliche Genehmigung verfolgten Schutzzwecken nicht in Einklang:

[…]

Jüngst würdigte der OGH in 2 Ob 134/15 t wie folgt:

Nach § 810 Abs 1 ABGB idF FamErbRÄG 2004 kommt dem erbantrittserklärten Erben ex lege ein subjektives Recht auf Benützung und Verwaltung des Verlassenschaftsvermögens sowie die Vertretung des Nachlasses zu (RIS-Justiz RS0008167 [T4 und T5]; Sailer in KBB4 § 810 Rz 2; Welser in Rummel, ABGB4 § 810 Rz 1). Nach Vorliegen von Erbantrittserklärungen zum gesamten Nachlass bedürfen auch Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung keiner abhandlungsgerichtlichen Genehmigung mehr. Anderes gilt zufolge § 810 Abs 2 ABGB lediglich für die Veräußerung von Gegenständen aus dem Verlassenschaftsvermögen (RIS-Justiz RS0122155). Die Veräußerung von Nachlassliegenschaften bedarf grundsätzlich der gerichtlichen Genehmigung (2 Ob 148/10v SZ 2011/10 mwN).

Speziell zur Kontoverfügung:

Bei Vorliegen von Erbantrittserklärungen zur gesamten Verlassenschaft umfasst die Verwaltungs- und Vertretungsbefugnis nach § 810 auch Verfügungen über erblasserische Konten und Sparbücher, ohne dass geprüft werden muss, ob es sich um eine Maßnahme des ordentlichen Wirtschaftsbetriebs handelt, (Fischer-Czermak, EF-Z 2018, 217).

Nachweis der Vertretungsbefugnis durch Amtsbestätigung:

Zum Nachweis der Vertretungsbefugnis dient eine vom Gerichtskommissär auf Antrag nach der Aktenlage auszustellende Amtsbestätigung (§ 172 AußStrG; EvBl 2008/56 = iFamZ 2008, 87 W. Tschugguel; ob diese gutgläubigen Erwerbern zu Eigentum verhelfen kann, bleibt offen).

Zusammenfassung:

Nach hRspr und hL bedürfen Vertretungshandlungen der ErbInnen, insbesondere auch Kontoüberweisungen, nach erfolgter Erbantrittserklärung (wobei diese grundsätzlich nicht einmal unbedingt sein muss), keiner gerichtlichen Genehmigung mehr. Voraussetzung ist, dass die Erbantrittserklärung in den gesamten Nachlass erfolgte. Dies gilt auch für Maßnahmen des außerordentlichen Wirtschaftsbetriebes, solange keine Verlassenschaftsgegenstände veräußert werden. Mehrere ErbInnen handeln gemeinsam. Die Amtsbestätigung genügt als Nachweis. Sie ist bei Vertretungshandlungen vorzulegen, auch um Vertretungskonflikte mit allfälligen Kuratoren auszuschließen, die im Übrigen in der Ediktsdatei (edikte.justiz.gv.at – unter Verlassenschaften eingetragen sein müssten).

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